Persönliches
Meine stark zusammengefasste Biographie bitte ich Sie, neutral und ohne Bewertung sowie eigener Interpretation zu lesen.
(Ich suche keinen Mann und ebenfalls möchte ich kein Mitleid von Ihnen. Sie sollen aber wissen, dass ich nicht mit dem golden Löffel aufgewachsen bin.)
Über das Leben in der alten Heimat haben meine Eltern nie ein Wort verlauten lassen. Ebenso wenig war über den Krieg, den beide Elternteile miterlebt haben, jemals gesprochen worden. Das wenige, was mir davon bekannt ist, habe ich von meiner Tante erfahren.
Die Eltern meiner Mutter besaßen einen Bauernhof mit Hühnern, Schweinen, Kühen und Arbeitspferden für die eigenen Wiesen, Äcker und Wälder. Vor dem Haus befand sich ein Teich, in dem ein kleiner Bruder meiner Mutter ertrank. Den ganzen Besitz ohne moderne Geräte und Maschinen zu bewirtschaften war sehr schwer. (Heute ist das fast undenkbar.) Deshalb musste jedes Kind auf dem Hof mitarbeiten. Zu dieser Zeit gab es die jetzige Versorgung noch nicht und eine höhere Schule durfte nur der Erstgeborene besuchen.
Meine Mutter liebte Pferde über alles; dass ihr vernarbtes Handgelenk daher rührte, änderte nichts daran. Eines der Pferde hatte sie als Kind an der Leine mitgeschleift. Wäre der Arzt nicht rechtzeitig gekommen, dann wäre sie an Blutvergiftung gestorben. (All dies erfuhr ich aber erst, nachdem ich sie als kleines Mädchen gefragt hatte, ob ich mit meiner damaligen Freundin zum Reiten gehen dürfe. Die Mutter meiner Freundin hätte mich kostenlos mitgenommen und auch etwas für das Reiten bezahlt. An das NEIN kann ich mich noch gut erinnern. Aus Angst, es könne mir etwas geschehen, liefen meiner Mutter damals die Tränen über das Gesicht.)
Was meinen Vater betrifft, so habe ich es leider versäumt, Näheres über seinen Geburtsort und seiner Vergangenheit zu erfragen. Ich dachte wohl es geht alles so weiter wie bisher. Von seinen Geschwistern habe ich dazu auch nichts erfahren.
Meine Mutter war eigentlich im Leben mehrmals gestraft. Sie hatte, als zweitältestes Kind, die Schuhe des älteren Bruders aufzutragen. Dies rächte sich später bei ihren Füßen. Als ältestes Mädchen hatte sie ihre Mutter am meisten bei der Hausarbeit und auf dem Bauernhof zu unterstützen. Im Krieg war sie diejenige, die immer auf Habachtstellung sein musste, um nicht von den Soldaten vergewaltigt zu werden.
Kurz bevor sie vertrieben worden waren, hatten mein Opa und meine Mutter nachts noch einige Gegenstände aus dem Fenster schmuggeln können. Am nächsten Tag in der Früh fuhr die ganze Familie mit der Großmutter und der taubstummen Großtante mit dem Pferdegespann und den Säcken, in denen sie die nötigsten Gegenstände verstaut hatten, zum Lager nach Buchau. Von dort ging es mit der Hälfte der Säcke im mit Stroh ausgelegten Viehwagen, der total überfüllt war, weiter nach Nürnberg. Dort wurden sie im Auffanglager, einer Sporthalle, bis zur Weiterfahrt untergebracht.
Nachdem sie alle mit dem Wenigen, was sie inzwischen noch besaßen, in Eichstätt angekommen waren, waren sie dort nicht gerne gesehen. Gab es doch auch dort Armut! Hier wurden sie in einem Saal in der Willibaldsburg untergebracht. Den Raum teilten sie sich mit etwas über 40 Personen. Im Hof der Burg hatte meine Oma einen kleinen Ofen, auf dem sie für die Familie eine Suppe oder Kartoffeln kochte. Woher der Ofen stammte, kann mir meine Tante bis heute nicht sagen. Als Wiedergutmachung hatte die ganze Familie insgesamt 40 Reichsmark erhalten.
Die Mutter und die Geschwister meines Vaters waren auf dem Berg untergekommen. Mein Vater war später mit einer Verletzung am rechten Oberarm, durch einen Granatsplitter, aus einem Kriegsgefangenenlager zurückgekehrt.
Meine Tante, von der ich vieles erfahren habe, hatte ihn als einen sehr geselligen und humorvollen Mann kennengelernt. Ich erinnere mich an einen ruhigen und in sich gekehrten, liebevollen Vater.
Ich habe mir häufig anhören müssen, dass mein Vater damals gesagt haben soll, wenn es wieder ein Junge wird, dann wirft er diesen zu den Kapuzinern über die Klostermauer, die direkt hinter dem Krankenhaus ist. Die hatten damals schon so gut wie keinen Nachwuchs an Mönche mehr. Als ich dann auf die Welt kam, war natürlich alles paletti. (Welch ein Humor.)
Meine Mutter war danach mit mir in ein Kloster gegangen, um sich gesund pflegen zu lassen. Als sie wieder körperlich soweit hergestellt war, zogen wir in das OG eines Reihenmittelhauses. Die Besitzerin wohnte mit ihrem Collie im EG. Dieser hatte mich beim Spielen im Gesicht verletzt. Hätte er mich etwas weiter rechts erwischt, dann wäre ich auf dem linken Auge jetzt blind. Es war mein Fehler gewesen. (Trotzdem hatte ich bis 2016 noch einen Collie. Mein vierter Collie übrigens. Die Liebe zu dieser Hunderasse war einfach vorgegeben.)
Obwohl niemand gesucht worden war, hatte meine Mutter Arbeit in einer Näherei gefunden. Kurz darauf hörte sie, dass der Besitzer dieser Firma Erbarmen beim Anblick einer Frau, die bis auf die Knochen abgemagert war, und ihrer kleinen Tochter gehabt hatte. Diese Barmherzigkeit hatte meiner Mutter Geld für die Miete und etwas zum Essen beschert. Sie wollte einen Neubeginn, da mein Vater weder an sie geglaubt noch sie während der Krankheit unterstützt hat. Dieses kurze Zeitfenster dauerte ca. ein halbes Jahr. Wir sind dann wieder zurück gezogen. Finanziell hätte meine Mutter es nicht geschafft, uns beide auf die Dauer zu ernähren. Zuhause stürzte ich kurz darauf die Kelleraußentreppe hinunter und hatte mehr Glück als Verstand. Leider wurde damals im Krankenhaus versäumt, meine Wirbelsäule zu röntgen.
Fällt Ihnen etwas auf? Alles wiederholt sich im Leben. Bis dahin war es nur der Unfall mit dem Tier, der Zeitraum von sechs Monaten und der Sturz. Später sollte es noch viel mehr Parallelen zu dem Leben meiner Mutter geben.
Mit Schmerzen fuhr ich damals mit meinem Fahrrad in die Schule. Um ca. 10:30 Uhr bin ich aufgrund der wahnsinnigen Rückenschmerzen nach Hause gefahren. Als ich auf den Wohnblock zufuhr, schauten mich die anderen Mieter aus den Fenstern an und ich sah auf die Autos, die vor dem Haus standen. Ein Wagen fehlte. Beim Betreten der Wohnung wusste ich bereits, dass mein Vater an diesem Tag in der Früh gestorben war.
Wir waren nach der Erkrankung meiner Mutter noch nicht wieder richtig zusammen gewachsen und schon hatte ich meinen Vater für immer verloren.
Vor meinen Augen sehe ich noch, wie mein Vater mich als Kind, ich war nicht sehr groß, auf seinen Schultern in eine Gaststätte oder in die Sportgaststätte getragen hat. Seine große Leidenschaft war das Fußball. Ebenfalls erinnere ich mich mit einem Lächeln, als ich bei meinem Vater auf dem Schoß saß und wir uns gemeinsam Zeichentrick- oder Tierfilme angesehen haben. Wie stolz war er, als ich im weißen Kleid zur Kommunion gegangen war. Die Firmung durfte er schon nicht mehr miterleben. Leider sind es nur wenige Erinnerungen an diesen Zeitraum. Dies ist teilweise darauf geschuldet, dass mein Vater auf dem Steinbruch gearbeitet hat und müde und abgeschlagen immer nach Hause gekommen war.
Auf der anderen Seite erinnere ich mich aber auch an die Familientragödie, die meine Familie bis heute begleitet. Ein LKW-Fahrer hatte fast ungebremst mit über 100 km/h das Auto, in dem mein Vater saß, gerammt.
Bei Gericht wurde bekannt, dass es der vierte Unfall des LKW-Fahrers war. Ergebnis: ein Querschnittsgelähmter, ein Rollstuhlfahrer und mit meinem Vater zwei Tote. Das Urteil – ein Schlag ins Gesicht. Der LKW-Fahrer hatte eine kleine Geldstrafe bekommen und für kurze Zeit wurde ihm der Führerschein abgenommen, sonst nichts. Man könne keine höhere Strafe erlassen, da er mehrfacher Familienvater sei und keinen anderen Beruf als LKW-Fahrer ausüben könne. Bei dem damaligen Richterurteil hatte anscheinend keine Rolle gespielt, ob andere Familien einen Vater und Ernährer verloren hatten. Heute, über 45 Jahre später, würde das Richterurteil sicherlich anders aussehen.
Danach war mir sofort klar: Den Wunsch, nach Jura oder Kunst zu studieren, konnte ich vergessen. Folglich besuchte ich die Realschule statt das Gymnasium.
In dieser Zeit hatten viele meiner Mitschülerinnen ein Hobby. Ich verbrachte meine Zeit mit Grabpflege, um meinem Vater nah zu sein, und auf der anderen Seite zeichnete und las ich sehr viel, um einen notwendigen Abstand von alldem zu erlangen.
Kurz darauf wechselte ich meinen Arbeitgeber und fing Richtung Starnberg an zu arbeiten. Ein halbes Jahr später fand ich dann ein kleines schnuckeliges Haus zur Miete. Die Hausbesitzer hatten mich wie eine dritte Tochter aufgenommen. Am Wochenende fuhr ich häufig zu meiner Mutter, die ich sehr lange finanziell unterstützte, sonst hätte sie sich die Wohnung nicht leisten können. In dieser Zeit begann ich auch Seminare für Rhetorik, Kommunikation, Konfliktbewältigung …zu besuchen. Diese wiederholte ich in den letzten Jahren.
Gleichzeitig lernte ich meinen späteren Ehemann, seit vielen Jahren schon Exmann, kennen. Er wohnte zu der Zeit in Würzburg. So war es ganz klar, dass ich nach Würzburg zog und dort mit allem wieder bei 0 anfing.
In dieser Zeit entdeckte ich mein Potential beim Planen und Organisieren, sei es das Haus oder die Anlage des Gartens. Ebenfalls trat mein Sinn für Farben und Harmonie noch stärker an die Oberfläche.
Kindernachwuchs hatte sich bis dahin und auch später – leider – oder sollte ich jetzt in meinem Alter sagen, Gott sei Dank, nicht eingestellt?
Max(i) ein Colliewelpe mit vier Monaten zog daraufhin bei uns ein. Er war vorher bei einer Familie, die ihn nicht mehr halten durfte, da er angeblich zu wachsam gewesen war. Bei uns war er tiefenentspannt. Wir lachten immer, wenn der Besuch durch den Garten ins Wohnzimmer gekommen war und Maxi nicht einmal mit den Wimpern gezuckt, geschweige gebellt hat. Zum Schafe hüten hätte er sicherlich nicht getaugt.
Als er etwas über ein halbes Jahr alt war, waren wir bei meinem Bruder eingeladen. Dafür hatte ich einen Mainzer Käsekuchen gebacken. Diesen hatte ich damals auf die Arbeitsfläche zum Auskühlen gestellt. Nach dem Duschen fehlte ein großes Stück davon und seine Zähne hatten sich links und rechts auch verewigt. Also schnitt ich großzügig die Seiten ab. Als wir alle bei meinem Bruder am Tisch saßen und uns den Kuchen schmecken lassen wollten, erzählte ich von meinem Schlingel, dass er Käsekuchen liebt. Was soll ich sagen, während ich dies am Tisch zum Besten gegeben hatte, war Maxi unter den Tisch gekrabbelt und hatte seelenruhig mein Stück Käsekuchen vom Teller gefressen. Welch ein Gelächter. Käsekuchen war von da an seine Leibspeise.
Wenn ich meine Mutter besuchte, nahm ich Maxi ab und zu mit. Sie sagte damals: Wenn er ein Mensch wäre, dann wäre dies mein Traumpartner. Er hatte immer gewusst, wann ich das Büro verlasse und ca. 35 Minuten später die Gartentüre aufsperre, oder wenn es mir bzgl. meiner Wirbelsäule nicht gut ging, dann ging er mit mir ins Schlafzimmer und setzte sich auf den Boden neben dem Bett. Dabei legte er seinen Kopf auf meine Decke und schaute mich an.
Er war auch ein guter Geschichtenerzähler. Beim Autofahren hat Maxi meinem damaligen Mann immer in verschiedenen Tönen leise ins rechte Ohr gebellt. Und in der Nachbarschaft sagte man, er solle eine neue Story erzählen. Maxi benützte so viele verschiedene Töne, wie kein anderer Hund darauf.
So war es nicht verwunderlich, dass wir uns dann einen zweiten Hund zulegten. Eine Collie Hündin mit dem Namen Amy, die man fast verhungert auf der Landstraße eingefangen hatte. Die beiden Hunde verstanden sich, indem jeder den anderen so sein ließ, wie er war. (Sie waren klüger wie manch ein Mensch.) Beschreiben wir es besser so: Maxi suchte meine Nähe auf und Amy lief den ganzen Tag den Gartenzaun entlang. Sie hatte anscheinend nie im Haus gelebt, sondern nur in einem großen Zwinger. Bis sie Vertrauen zu uns gefunden und freiwillig ins Haus ging und dort auch blieb, hat es sechs Monate gedauert.
So gingen die Jahre ins Land. Maxi hatte sich in dieser Zeit zur Wasserratte entwickelt. Er brachte immer den kleinen grünen Gummireifen, wenn es heiß war, und das bedeutete: Wir gehen ans Wasser.
Eines Tages schnappte Maxi nach meinem damaligen Mann. Den Hodentumor hatte er überlebt, aber den Gehirntumor, das wussten wir, wird er nicht schaffen. Kurz darauf fuhren wir noch zu einer empfohlenen Tierheilpraktikerin, die uns keine Hoffnung machte. (Ich bin noch heute mit meinen Hunden bei ihr. Sie hat nie eine falsche Diagnose gestellt und steht mir immer noch zur Seite. Dafür ein großer Dank an eine wunderbare Frau.) Abends, als wir zu Hause waren, habe ich noch Maxis Decken frisch aufgeschüttelt und dann haben wir ihn darauf gelegt. Er hat sich noch einmal umgeschaut und dann seinen Kopf auf meine Schulter gelegt, um mich noch kurz mit seiner langen Nase anzustupsen und mir in die Augen zu sehen. Daraufhin ist er für immer eingeschlafen.
In der Nacht zum Todestag von Maxi hatte ich zum ersten Mal einen Traum, der sich bis heute vor jedem Abschiedstag eines geliebten Hundes wiederholt hat. Ich habe gelernt, diesen Alptraum zu neutralisieren.
Jetzt hatte ich zum ersten Mal etwas Geliebtes an den Krebs verloren, was sich im Laufe meines Lebens immer wiederholen sollte.
Wir hatten einen schwerwiegenden Fehler gemacht. Wir hatten die Hündin Amy weggesperrt, statt sie an ihrem toten Hundekumpel Maxi schnuppern zu lassen. So konnte sie auch nicht sehen, wo wir ihn begraben hatten. Sie suchte und trauerte sehr lange, wusste sie doch nicht, dass er nicht mehr kommen würde.
Bis dahin hatte ich geglaubt, man empfindet nur einmal für ein Tier so wie ich für Maxi.
Als wir dann in den Garten gingen, lagen zwei Collierüden Schutz suchend aneinandergeschmiegt in einer dunklen Ecke. Mir tat es in der Seele weh, als ich so viel Leid in den Augen des älteren Rüden, dieses für mich unendlich schönen Tieres, sah. Ich kroch auf alle Vieren zu diesem Rüden, der aus der Ecke nicht fliehen konnte, und sah dann sein Gesicht, das mit lauter Löcher übersät war. Er war damals das schwächste Glied bei der Züchterin, besser gesagt Vermehrerin, gewesen. Gegen Huskys und Chow Chows hatte er, mit diesem sanften Charakter, keine Chance. Ich nahm seinen Kopf in meine Hände und hielt ihn, dabei versprach ich ihm, dass er bis zum Ende bei mir bleiben wird.
Damals wusste ich noch nicht, welch ein Kampf dies werden würde.
Diese beiden Hunde verstanden sich, aber Hundekumpels wurden sie erst später, als er mit uns gemeinsam laufen konnte.
Toby, wie ich meinen zweiten Rüden nannte, hatte nicht nur äußerlich Verletzungen in den 3,5 Jahren bei der Vermehrerin davon getragen, auch gesundheitlich kamen die Mängel aufgrund von schlechter Ernährung, mangelnder Bewegung und auch fehlender Liebe zu Tage. Sein Herz, die Lungenflügel und die Beine waren nicht in Anspruch genommen worden. Ich hatte mir einen Hund mit 33 kg geholt, den ich über sechs Monate mehrmals am Tag in den Garten tragen musste. Ansonsten saß oder lag er auf dem Läufer neben meinem Bett und wartete auf mich, dass ich vom Büro heimkomme. Mein damaliger Mann konnte nicht in seine Nähe gehen. Der Rüde hatte anscheinend viel Schlechtes von Männern erfahren.
Was war ich stolz, als ich zum ersten Mal einige Schritte mit Toby um das Haus gegangen war und erst später. Es existiert ein Foto, auf dem er voller Zuversicht in den Himmel schaut, nach dem Motto: Jetzt habe ich es geschafft. Ich bin endlich angekommen.
Die Hündin hatte dank der Heilpraktikerin noch eine schöne, aber leider nur kurze Zeit bei uns. Sie starb an einem Nasentumor, der auf den Aufnahmen der Tierklinik deutlich sichtbar war. Der Krebs hatte fast alle Knochen vom Gesicht zerfressen.
Jeder trauert anders. So war es keine Überraschung, dass wir wieder bei derselben Tierhilfsorganisation eine Hündin für Toby geholt haben. Jule, eine fünf Jahre alte Collie Hündin, die die Besitzer, als sie sich trennten, einfach bei der Tierärztin zum Einschläfern abgegeben hatten, weil sie Milchleistenkrebs hatte. Die Tierärztin hatte die Hündin operiert und zum Tierschutz gebracht.
Sie war schon eine Maus. Bei uns zu Hause angekommen hatte sie sofort alles inspiziert und für sehr gut empfunden. Nach dem Motto: Hier bin ich und hier bleib ich. Leider habe ich das Motto am Schluss nicht verwirklichen können.
Vier Jahre hatte ich mich auf diese Krankheit immer wieder testen lassen. An meinem 42. Geburtstag hatte ich die Gewissheit: Jetzt hatte es mich erwischt. Ich hatte mir mehrere Meinungen eingeholt, aber immer mit demselben Ergebnis. Mein damaliger Mann glaubte mir nicht und er war auch keine Unterstützung, stattdessen fühlte ich mich einsam und verlassen, mehr als jemals zuvor. Ein Satz, den er mir damals sagte, höre ich noch heute in meinen Ohren und werde diesen nicht vergessen. Da war es für mich klar, dass ich so wie die letzten Jahre nicht mehr weiterleben wollte. Sollte ich daran sterben, dann nicht mit diesem Mann an meiner Seite. Bis zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, wie stark man sein kann und welche Kräfte in einem stecken, wenn es darauf ankommt. Wie sagt man so schön: Der Mensch denkt und Gott lenkt. (Erst später sah ich die vielen Parallelen zu dem Leben von meiner Mutter.)
Haben Sie keine Angst. Es geht mir seit vielen Jahren bzgl. dieser damaligen Erkrankung sehr gut, nur leider macht mir meine Wirbelsäule manchmal zu schaffen. Man wird halt älter.
Es verlief alles ganz anders. Es gab einen Rosenkrieg von mehreren Jahren. (Hierzu schreibe ich aber nichts. Bitte haben Sie dafür Verständnis.) Ganz am Schluss ging es um die Hunde, die jeder für sich beanspruchte. Im letzten Gerichtstermin gab ich dem Exmann die Hündin Jule, um den Rosenkrieg, wie ich dachte, zu beenden. Sie ging mit eingezogenen Schwanz und hängendem Kopf aus dem Grundstück und mein Rüde Toby wollte sich nicht mehr von dem Exmann streicheln lassen. Ein Bild, das sich mir einprägte, hatte ich doch auch Jule versprochen, dass sie bis an ihr Ende bei mir bleiben würde!
Bei einem gemeinsamen Einkauf meinte sie nebenbei, dass sie den Gebärmutterkrebs überlebt hat, aber den Darmkrebs werde sie nicht schaffen. Am nächsten Tag hatten wir das Thema Generalvollmacht mit Patientenverfügung besprochen. Gleich darauf sagte sie mir damals, dass ich für ihren runden Geburtstag nichts organisieren solle. Am Abend fuhr ich nach Hause und machte gleich einen Termin beim RA für die nötigen Unterlagen aus.
Eine Woche später hatte ich die Generalvollmacht einschließlich der Patientenverfügung zu meiner Mutter mitgenommen und wir hatten alles besprochen und beide unterschrieben. Nur Papier ist geduldig. Was die Zukunft wirklich bringt, war zum Zeitpunkt der Unterschrift schwer zu sagen.
Obwohl wir das Thema, dass bei älteren Menschen der Krebs langsamer wachse und sie sich noch eine schöne Zeit machen solle, bis die Schmerzen beginnen, besprochen hatten, hatte sie sich für eine Operation entschieden.
Meine Schwägerin hatte sie zum OP-Termin in das Krankenhaus gefahren. Was ich nicht wusste, war, dass sie die Patientenverfügung nicht abgegeben hatte, stattdessen lag sie umgekehrt am Boden der Reisetasche. Am nächsten Abend wurde ich angerufen, dass die OP gut verlaufen sei und ich mich am nächsten Tag wieder erkunden könnte. Sonntag spät am Nachmittag hatte ich wieder wahnsinnige Schmerzen, wie ich sie inzwischen kannte. Also habe ich damals mit Angst die Intensivstation angerufen. Man sagte mir, dass meine Mutter eine Not-OP hatte und sie ins Koma gefallen sei. Ich solle mit dem Schlimmsten rechnen. Nach über sechs Stunden NOT-OP und Wiederbelebungsversuchen wurde sie auf die Intensivstation gebracht. Ab diesem Moment war meine Mutter eine andere Frau. Sie hatte inzwischen fast durchsichtige Augen und ihr Blick weilte oft beim Fenster. Hier hatte sich gezeigt, dass ihre Entscheidung, die Patientenverfügung nicht abzugeben, richtig gewesen war.
In der Zwischenzeit hatte ich einen Platz in dem gewünschten Altenheim, in dem schon ihre Mutter und vorher auch ihre Oma am Ende bis zum Tod war, für meine Mutter bekommen. Ich fand es sehr schade, dass es kein Einzelzimmer war, aber wie sich herausstellte, war es genau richtig. Die Frau in dem Zimmer war für meine Mutter so eine Art Aufgabe, sich am Ende noch um jemanden zu kümmern.
Interessenlosigkeit war wieder eingekehrt. Es hatte schon etwas Überredungskunst gekostet, dass sie das Angebot zum Backen, Kochen, Singen und Tanzen angenommen hatte. Kennen Sie das, ich habe mein Leben lang gekocht und gebacken, singen kann ich auch nicht und das mit dem Tanzen ist schon ewig her?
Als ich dann am Wochenende wieder bei ihr war, strahlte sie und meinte, dass es eine sehr gute Idee gewesen war, dass sie das Angebot angenommen hatte. Das Backen und Kochen hatte man aufgeteilt. Dabei war ziemlich viel gelacht worden. Hatte doch jeder dies in der Vergangenheit etwas anders gehandhabt! Singen, jeder hat halt sein Bestes gegeben und erst das Tanzen, das war wirklich schön gewesen. Jeder hat sich zu der Musik bewegt, ob mit Rollstuhl, Rollator oder Gehbehinderung. Meine Mutter hatte sich aufgrund ihres Willens wieder etwas Lebensqualität zurückerobert.
Als es dann auf ihren 80. Geburtstag zuging, meinte sie zu mir: Bitte organisiere doch etwas mit Kuchen und … .
Ich hatte ja schon gesehen, wie es ihr ging und hatte von mir aus etwas bestellt für diesen Tag. Ihr runder Geburtstag war unter der Woche und ich konnte nicht von Würzburg weg. So fuhr ich am Freitag für das Wochenende wieder zu ihr. Als ich in ihr Zimmer gekommen war, strahlte sie über das ganze Gesicht. Was hatte sie nicht alles zu erzählen? An ihrem Geburtstag war musiziert und gesungen worden. Der Bürgermeister und der Pfarrer waren bei ihr gewesen. Früher hätte sie darüber nur gelacht. Ihre ganzen Geschwister waren teilweise von weit her gekommen, um sie zu besuchen.
Weihnachten hatten sie im Heim auch sehr schön gefeiert. Wir Kinder waren dann die Feiertage der Reihe nach bei ihr.
Im neuen Jahr fragte sie mich, wann die einzelnen Geburtstage meiner Brüder im Januar wären. Bei meinem jüngsten Bruder, der Ende Januar Geburtstag hat, meinte sie – noch so lange. Es ging langsam dem Ende des Januars entgegen, als sie mich kurz vor meiner Heimreise fragte, ob ich ihr die schwarze Samthose und ihren Lieblingspullover holen könne. Ich erwiderte, dies wäre jetzt nicht mehr möglich, da mein Zug gleich abfahren werde. Ich werde die gewünschte Kleidung am kommenden Freitag mitbringen. Sie nickte und sagte, das würde noch reichen. Darauf küsste sie mich eigentümlich und bedankte sich. Ein Moment, der mich noch heute, über zehn Jahre später, in Tränen ausbrechen lässt. In diesem Moment fühlte es sich für mich irgendwie komisch an. Ich tat es einfach ab und dachte mir nichts dabei. Sie hat einfach ihren moralischen Moment, wie wir alle ab und zu einen haben. Es sollte aber der Dank für alles, was ich im Leben für sie und die Familie getan hatte sowie der letzte Abschied sein.
Am nächsten Tag zur Mittagszeit, als ich in der Kantine war, fiel mir die Gabel aus der Hand und ich lief weinend in mein Büro. Als ich die Türe öffnete, klingelte auch schon das Telefon. Auf dem Display war die Telefonnummer des Altenheims zu sehen. Ich wusste bereits, dass meine Mutter vor zwei bis drei Minuten gestorben war. Dies wurde mir auch von der Pflegekraft bestätigt. Bittend und bettelnd flehte ich das Personal an, Wiederbelebungsversuche zu unternehmen. Nach zehn Minuten wurde ich angerufen, dass man es nicht geschafft hatte. Außerdem war in dem Zimmer von meiner Mutter die Patientenverfügung gefunden worden, in der sie Wiederbelebungsversuche strikt abgelehnt hatte.
Jetzt hatte ich, als ihre Tochter, mich gegen die aufgesetzte und unterschriebene Verfügung entschieden und gehandelt. Nennen Sie es mein Unverständnis, dass meine Mutter es dieses Mal nicht geschafft hatte, oder Egoismus von meiner Seite. Es stimmt wahrscheinlich beides. Ich selbst habe mir viele Jahre Vorwürfe gemacht, hätte ich es doch mit meinem Gewissen vereinbaren müssen, wenn die Wiederbelebungsversuche positiv verlaufen wären, meine Mutter aber ein totaler Pflegefall gewesen wäre.
Nach Pfingsten half bei meinem Onkel, dem jüngerem Bruder meiner Mutter, die Morphium Pumpe schon nicht mehr. Als er einige Zeit später für immer eingeschlafen war, sahen wir es als eine Erlösung an.
Vierzehn Tage nach dem Tag meines oberen Onkels erfuhren wir, dass ein anderer jüngerer Bruder meiner Mutter an Leberkrebs verstorben war. Seine Frau starb drei Tage später im Krankenhaus ebenfalls an Kehlkopfkrebs.
So waren innerhalb von sechs Monaten vier Menschen: meine Mutter, zwei Onkel und eine Tante gestorben. Die Ursache war immer die Gleiche.
In dieser Zeit hatte sich aber sehr schnell herausgestellt, wer wirklich meine Freunde waren. So gab es sogar eine Freundin, die mir Geld angeboten hatte, obwohl ihr Mann zu dieser Zeit arbeitslos gewesen war. Eine andere Freundin meinte: „Du kannst immer mit deinem Hund zu mir kommen, wenn es eng wird.“ (Von den gemeinsamen Bekannten hatte ich mich noch kurz vor der Scheidung getrennt.)
Gesundheitlich ging es mir damals auch nicht sehr gut. Heute ist bekannt, dass Trauer und Stress die chron. Krankheit noch schneller ausbrechen und wachsen lassen. Mein Hund Toby wurde immer schwächer und die Spaziergänge kürzer. Eines Tages im Herbst saß ich mit ihm unweit von unserem zu Hause unter einem Walnussbaum. Dies wurde an schönen Tagen oft unser Aufenthaltsort. Er hatte dort seinen Kopf auf meinen Schoß gelegt und ich streichelte ihn mit Tränen in den Augen, war mir doch damals bereits bewusst, dass diese gemeinsame Zeit nur noch sehr begrenzt war. Eines Tages kam eine Frau, die in der Nachbarschaft wohnte und vom Alter her meine Mutter hätte sein können, auf uns zu und wir sprachen über die Liebe zu Tiere. Sie hatte kurz vorher ihre Katze verloren.
Zu wem hätte ich gehen können, um mit meiner Trauer fertig zu werden? Meine Mutter lebte nicht mehr, die Freunde hatten keine Hunde und die eine Freundin mit Hund war weggezogen. So ging ich zu der Frau, die kurz vorher ihre Katze begraben hatte. Wir sprachen beide viel über den Verlust unserer Tiere, so halfen wir uns gegenseitig. Mit der Zeit erfuhr ich mehr aus ihrem Leben.
Meine Freundin war sehr jung aus ihrem Elternhaus ausgezogen und gründete selbst schnell eine Familie. Das Glück war aber nicht von Dauer. Deshalb hatte sie sich, als die Kinder erwachsen waren, scheiden lassen.
Auf einer Kur hatte sie mit Mitte fünfzig einen verheirateten Mann kennengelernt, der wesentlich jünger als sie war. Ich erinnere mich noch gut, wie sie lächelnd sagte, sie habe dies damals vor über 15 Jahren einfach nur als Flirt abgetan. Was wollte dieser gut aussehende junge Mann mit einer bildhübschen, zierlichen, blonden Frau von ihr, die kräftig, dunkelhaarig und einige hundert Kilometer von ihm entfernt wohnte? Eine Woche später rief er an und zog auch gleich mit einigen wenigen Sachen bei ihr in eine kleine Wohnung ein. Sie war überrascht, aber was hatte sie zu verlieren? Nichts, nur zu gewinnen. In der Zeit bis zur Scheidung konnte sie die Nochehefrau ihres Lebensgefährten kennenlernen. Schön von außen anzusehen, aber Kochen und Backen: Fehlanzeige. Das Geld wurde für Kleidung und Kosmetik ausgegeben.
Nach der Scheidung von der blonden Schönheit haben Beide sehr schnell geheiratet. Das Hochzeitsfoto habe ich noch vor Augen. Zwei reife Menschen, die in ihrem Leben schon mehrmals durch die Hölle gegangen waren, sahen sich verliebt, aber ängstlich an, wie zwei ältere Menschen, die schon verlernt hatten, an das große Glück zu glauben. Dieses Glück sollte sieben Jahre anhalten. Sie musste nicht mehr jeden Cent mehrmals umdrehen. Sie konnte sich Kleidung und Schuhe in einem guten Geschäft leisten. Ebenfalls war sie mit ihrem Mann mehrmals in den Urlaub geflogen, von dem sie noch Jahre später zehrte. Nachdem sie ihre damalige Schwiegermutter und ihren zweiten Mann aufgrund Bauchspeicheldrüsenkrebs bis zum Tod gepflegt hatte, war sie in die Nähe von mir gezogen. Wir waren uns aber erst in unserer Not über den Weg gelaufen.
Aus guten Gesprächen war eine sehr innige Freundschaft, von denen man im Leben nur wenige hat, geworden. Wir wussten sehr viel voneinander und spürten Beide, wenn es der anderen nicht gut ging. So war es auch ganz normal, dass ich ihr damals von einem neuen Hund erzählte, der mein Leben bereichern solle.
Sie fragen sich sicherlich, warum schreibt sie so viel über diese Frau? Ganz einfach, es ist mir ein Bedürfnis, diese Frau, die mir jahrelang eine wunderbare Freundin und fast wie ein Mutterersatz für mich gewesen war, mit mehr als einem Satz zu würdigen.
Sie hatte im Alter von Mitte fünfzig, nachdem sie bereits seelisch und körperlich am Ende gewesen war, die Chance für einen Neuanfang gewagt. Dass ihr Glück ein viel jüngerer Mann sein würde, der bereit gewesen war, einige hundert Kilometer für sie umzuziehen, damit hätte sie im Traum nicht gedacht.
Als ich mental wirklich so weit war, bekam ich keinen Sheltie bzw. Collie mehr über den Tierschutz. In dieser Zeit war dann der Gedanke aufgekommen: Vielleicht ist dies auch gar nicht mehr meine Rasse. So bin ich auf die Seite von „Windhunde in Not“ gegangen. Einen Abend vorher waren Fotos von fünf Barsoiwelpen ins Portal gestellt worden. Als ich dieses eine Foto sah: riesengroße, ängstliche Augen, viel zu kleiner, dürrer, weißer Körper, Kopf nach unten gebeugt und Schwanz eingezogen, war es um mich geschehen. In diesem Moment hatte ich bereits alles über Bord geworfen. Rasse – so groß wie ein Minipferd, weiblich, Welpe und unerzogen. Ja, wo die Liebe hinfällt!
So zog Katy bei mir ein. Ein Hund, der mein Leben auf den Kopf stellen sollte. Stubenrein war sie schnell. Nur ihre Zähne waren ein Werkzeug, das man nicht unterschätzen durfte. Wurde doch alles angenagt. Neun Paar Schuhe fanden die Mülltonne. Es spielte keine Rolle, ob die Schuhe aus Leder, Stoff, die Sohle aus Kunststoff, Plastik oder Holz waren. Am Ende sahen diese immer aus wie Emmentaler. Es war somit ganz schnell klar: Entweder mussten die Schuhe sauber in den Schuhschrank oder ich stellte sie zum Auslüften auf den Kachelofen. Das Holzgitter zur Abtrennung zum Wohnzimmer war auch sehr schnell zerbissen. Essen musste über den Kopf getragen auf den Tisch gestellt werden, sonst war der Teller oder die Tasse leer, bevor ich selbst etwas davon hatte. Beim ersten Weihnachtsbaum waren die unteren Zweige abgebissen und die Kugeln sowie der Weihnachtsschmuck lagen am Boden.
In dieser Zeit schaute ich mit Katy öfter bei meiner Freundin vorbei. Dabei erzählte ich ihr von den vielen Dummheiten meines Welpen. Das Lächeln fiel ihr damals schon schwer. Sie hatte schon wieder an Gewicht verloren. Ich hatte ihr vorher noch eine weiße warme Fließjacke gekauft und die alte dann weggeworfen, da sie bereits immer so schnell fror. Die Ärztin hatte ihr gerade mitgeteilt, dass sie noch mehr an Gewicht verlieren würde. Sie wusste bestens Bescheid über diese Art von Krebs. Zwölf Tage später lag sie bereits im Koma. Sie lag mit einem entspannten und man könnte sagen glücklichen Gesicht da. Ich hielt ihre Hand und streichelte ihr über die Wange. Dabei erzählte ich ihr von unserem Kennenlernen, unseren Gesprächen, ihrem 70. Geburtstag, den wir gemeinsam gefeiert hatten, und den vielen gemeinsamen Momenten. Am Schluss summte ich noch ein Lied und wünschte ihr im Stillen, dass sie endlich loslassen solle und gehen dürfe.
Am nächsten Tag, nachdem ihre Kinder dagewesen waren, war sie ruhig eingeschlafen.
In 21 Monaten hatte ich drei Personen an dem tödlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs verloren. Meine Cousine mit 50, meine Cousine mit 47 und meine Freundin mit 71 Jahren.
Katy war inzwischen etwas größer geworden und hüpfte mit einem Sprung auf die Mülltonne und versuchte, von dort aus den Zaun zu überspringen. So kam es, dass bei mir alles hoch eingezäunt wurde. Freunde sagen: Alcatraz ist nichts dagegen. Was macht man nicht alles für ein Springpferd!
In dieser Zeit lernte Katy ihre Hundefreundin Rennsemmel, auch Liselotte genannt, kennen. Sie ist eine Mischung aus Dackel, belgischem Schäferhund und für mich sieht die Stirn, wenn die Hündin ihr Gesicht verzieht aus, als wenn eine Dogge auch noch im Spiel gewesen wäre. Sie war bis dahin der einzige Hund, der mit ihr beim Laufen und Springen mithalten konnte. Als die Besitzerin den Arbeitgeber wechselte, sahen wir uns immer seltener und ich hatte es satt, meine Hündin vor dem Wohnzimmerfenster oder vor der Garteneingangstüre sitzend und leise vor sich hinjammernd vorzufinden. Also musste ein zweiter Hund her, der mit meiner Gaga Hündin zurechtkommt und vor allem mithalten kann beim Spielen.
Meine Bemühungen, über den Tierschutz einen zweiten Windhund zu erhalten, waren ins Leere gelaufen. Entweder waren die Hunde zu alt oder sie waren ebenfalls ein Wirbelwind. So bin ich zu einer Züchterin gefahren, die mir damals einen sehr guten Eindruck gemacht hatte.
Beim ersten Besuch hatte ich der Züchterin erzählt, dass ich mich in den kleinen blaugrauen Welpen verliebt hatte. Sie meinte, dass diese Hündin, der Letzte vom Wurf, gesundheitlich sehr anfällig, aber eben auch ein Wirbelwind sei. Die kleine Maus versuchte auch wirklich, sofort an mir hochzusteigen und knabberte an meiner Nase herum. Sie empfahl die weiße, größere Hündin, diese sei ruhiger. Ich beobachtete diese eine Weile, als sie ihre Geschwister beim Streiten maßregelte. Sie verteilte mit ihrer kleinen Pfote einfach links und rechts Kopfnüsse. Danach kam sie zu mir und setzte sich einfach vor mich hin und sah mir in die Augen. Das Muttertier sah ich nur vom Balkon aus.
Beim zweiten Besuch war das Muttertier nur kurz anwesend, der kleine blaugraue Welpe lag noch müde von der Impfung in einer Ecke und bewegte sich nicht. Mein Welpe war vorsichtig zu mir gekommen und wartete ab, was ich tun würde. Dies macht sie heute noch, wenn sie etwas will. Schnell war der Welpenkauf von Statten gegangen.
Ich rate aber jedem Welpenkäufer, sich bei einem Züchter die Zuchtpapiere von beiden Elternteilen vor dem Kaufvertrag zeigen und übergeben zu lassen. Ebenfalls ist es ratsam, sich unterschreiben zu lassen, dass der Welpe keinen Genfehler aufweist.
Als ich dann mit dem Welpen zu Hause war, hatte ich doch etwas Bammel. Wie würde meine erwachsene Hündin auf diesen weißen Welpen reagieren? Es zeigte sich, dass meine Sorge bzgl. des Welpen und der Farbe unbegründet war. (Katy war als Welpe drei Mal von weißen Schäferhunden und viermal von einem langhaarigen Schäferhund gestellt worden.) Katy hatte aber Safija, wie ich den Welpen genannt hatte, sofort als ihren Welpen akzeptiert.
Die beiden Barsoihündinnen verstehen sich seit Anfang an bestens. Allerdings wurde meine erwachsene Hündin wieder zum Kindskopf. Meine Hündin Safija saß bis vor kurzem noch fragend vor mir und ihre Augen wollten wissen, was macht Katy für einen Unsinn. Einzige Erklärung dafür: Meine erwachsene Hündin will Safija einfach zeigen, was man alles Tolles zu Hause anstellen kann. Inzwischen stürzt das gestapelte Holz zusammen, gelbe Säcke liegen schon mal zerrissen im Vorgarten verteilt herum. Meine dritte Gartenhortensie lebt inzwischen auch nicht mehr. Zuerst hatte man die weißen Blütenrispen abgebissen, danach die Wurzel ausgegraben und zerbissen. Die Erde wird noch öfter verteilt. Entweder hatte Katy hier einmal einen Knochen eingegraben, es hatte ein Tier, z.B. Katze, darüber markiert oder es war eine Maus darüber gelaufen. Jetzt ist es aber Safija, die den größeren Unsinn im Kopf hat. Es wird zumindest nicht langweilig.
Ich habe in meinem Leben noch nie so oft ein Lebewesen auf den Mond schießen wollen, aber auch noch nie so viel gelacht. Dies bekommt natürlich auch die Nachbarschaft mit. Ganz am Anfang meinte eine Frau noch, ich solle doch ein kleines Buch über meine Barsoihündin(nen) und mich schreiben. Es hätte schon so einiges zum Schreiben gegeben.
Oktober 2023 erkrankte meine Tante an Krebs. Die Frau, die schon ihren Gatten an Lungenkrebs und die Tochter an Bauchspeicheldrüsenkrebs verloren hatte.
Ende des selben Monats erfuhr ich, dass eine meiner vier besten Freundinnen an Darmkrebs erkrankt war. Sie war wegen einer starken Gallenkolik in die Uni gefahren. Nach sechs Stunden erfuhr sie die ungeschönte Wahrheit: drei verschiedene Krebsarten im Körper, befallene Lymphdrüsen und Metastasen im Körper. Die Totaloperation verlief gut. Im April 2024 stellte man wieder Metastasen im Bauch und eine vergrößerte Stelle in der Lunge fest. Sie kämpft jetzt weiter. Was soll ich dazu sagen? NICHTS, außer, dass ich mir von Herzen wünsche, dass sie es schafft und noch viele Jahre unter uns ist. Bemerkenswert auch hier, sie hatte ihren Mann mit Krebs bis zum Schluß gepflegt und war bzw. ist für Ihren Bruder, der eine seltene Art von Leukämie hat, immer da.
Kindheit meiner Eltern vor dem zweiten Weltkrieg
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg
Meine ersten Erinnerungen
Tod meines Vaters
Schneller Übergang ins Erwachsenenleben
Umzug in eine moderne Wohnung sowie Arbeitsplatzwechsel
Totaler Neuanfang
Normaler Ablauf einer (vergangenen) Liebe
Mein erster eigener Hund
Nichts muss - alles kann - die verletzte Seele
Tod und Neuanfang
Chronische Erkrankung
Patientenverfügung
Erstes Halbjahr und eine Hiobsbotschaft nach der anderen
Keine Zeit für Trauer über den Tod meiner Mutter
Gehen lassen und Beginn einer wahren Freundschaft
Einzug eines Wirbelwindes und Tod einer wunderbaren Freundin
Alte Seele in einem Welpenkörper
Der ewige Krebs
Zum Abschluss:
Wir leben JETZT und HIER, auch nicht morgen oder in der weiteren Zukunft. Vergessen Sie Sätze wie: „Wenn ich in Rente gehe, dann kaufe ich mir einen Hund oder bereise ich Länder, die ich mir schon immer ansehen wollte.“ Wissen Sie, ob Sie dieses Alter überhaupt erreichen?
Eine Krankheit oder ein Unfall kann von jetzt auf dann unser Leben verändern. Daran denken wir aber nicht, wenn es andere betrifft, mit denen wir nichts zu tun haben. Erst, wenn dies in der eigenen Familie oder im Freundeskreis passiert, wachen wir auf und beginnen, über unser Leben nachzudenken. Hören Sie wieder oder mehr auf Ihren Körper und gehen Sie gleich zum richtigen Arzt. Nehmen Sie das Angebot der Voruntersuchung wahr. Angst vor einer negativen Antwort lässt viele Menschen diesen Gang erst bei großen Schmerzen gehen, wenn Hilfe oft nicht mehr möglich ist.
Schaut man hinter die Fassade all dieser Menschen, die an Krebs erkrankt waren bzw. sind, dann erkennt man, dass sich viele der Personen die Probleme bzw. Krankheiten der anderen angenommen und diese so sehr verinnerlicht hat(te), dass eine Abgrenzung nicht stattgefunden hat(te) .
Übernehmen Sie nie den Rucksack eines anderen. Sie können niemanden etwas abnehmen, nur zuhören und Denkanstöße geben. Jeder muss sein Leben selbst leben und seine persönliche Lebenserfahrung sammeln. Lernen Sie sich abzugrenzen. Dies ist sehr, sehr wichtig.
Deshalb nehmen Sie nichts als selbstverständlich, alles kann morgen ganz anders sein.
Hegen und pflegen Sie Ihre Freundschaften, diese bereichern Ihr Leben und helfen Ihnen in schwierigen Situationen weiter.
Wenn Sie Single sind, hören Sie auf, sich einen Partner bzw. eine Partnerin zu malen. Wir haben alle unsere Vergangenheit und haben uns körperlich sowie seelisch verändert.
Öffnen Sie sich wieder, geben Sie etwas Neuem eine Chance, bleiben Sie nicht stehen. Unser Gehirn benötigt etwas Zeit für etwas Neues, hat es doch Angst vor dem Ungewissen und hält somit an allem Bekannten fest.
Werfen Sie Ihr Augenmerk auf die positiven Eigenschaften und die vielen Übereinstimmungen des Anderen und sehen Sie nicht nur, was Sie offensichtlich trennt oder Arbeit bedeutet.
In jungen Jahren hat man Zeit zusammenzuwachsen. Ab 50 hat man bereits fast zwei Drittel seines Lebens hinter sich und keiner kann sagen: wann seine Uhr abgelaufen ist. Deshalb sollten Sie nicht von Nichtigkeiten wie Alter, Größe, Haarfarbe, Gewicht, Sportlichkeit, Tiere, … eine eventuelle Beziehung abhängig machen. Hören Sie wieder auf Ihr Bauchgefühl.
Oftmals ist das, was auf den ersten Blick glänzt, nur stark poliert und hält keinem zweiten Blick stand.
Etwas anderes ist vielleicht nicht Ihre erste Wahl, passt aber viel besser zu Ihnen und ist von Dauer.
Das Glück liegt in Ihren Händen. Sie müssen es nur mit den Augen wahrnehmen und ohne zu hinterfragen in Ihr Leben einlassen. Es mag Ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellen, aber Glück kommt meistens plötzlich ganz unverhofft, wenn man nicht damit rechnet.
Jetzt wünsche ich Ihnen alles Liebe und Gute. Bleiben Sie gesund.
Ich würde mich freuen, Sie begrüßen zu dürfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen